Reverse Charge Verfahren

Wie relevant für den Onlinehandel?

Der Onlinehandel eröffnet große Chancen auf Verkäufe zwischen Ländern, die früher in dem Maße nicht zu realisieren waren. Allerdings fällt damit auch eine Steuerschuld im Ausland an. In einigen Fällen kann das sogenannte Reverse Charge Verfahren genutzt werden, um den Aufwand der Steuererhebung im Ausland zu reduzieren. Mit einer Umkehr der Steuerschuld muss in diesem Fall der Empfänger im Bestimmungsland die Mehrwertsteuer abführen, der Verkäufer stellt lediglich eine Nettorechnung aus. Erfahren Sie hier mehr über die Vorteile und Nachteile des Reverse Charge Verfahrens, über die Voraussetzungen für die Anwendung und darüber, warum andere Verfahren, wie zum Beispiel OSS, wesentlich relevanter für den Bereich E-Commerce sind. 

Inklusive Mustervorlage für die Rechnungserstellung.

Das Wichtigste vorab kurz zusammengefasst

Bei der Umkehrung der Steuerschuld im Reverse-Charge-Verfahren wird der Nettobetrag vom Kunden an den Lieferanten und die Umsatzsteuer direkt ans Finanzamt gezahlt.

Reverse Charge Verfahren – Definition

Was ist das Reverse-Charge-Verfahren? Es handelt sich um eine spezielle Form der Steuerabführung, denn im Gegensatz zur üblichen Vorgehensweise führt hier der Käufer und nicht der Verkäufer die Umsatzsteuer ans Finanzamt ab. Daher wird das Reverse-Charge-Verfahren auch als “Umkehr der Steuerschuld” bezeichnet. Angewendet werden darf das Verfahren ausschließlich im Bereich B2B (Business-to-Business) und nur bei ausgewählten Arten von Leistungen.

Anwendungsmöglichkeiten des Reverse Charge Verfahrens

Das Reverse Charge Verfahren darf grundsätzlich ausschließlich im Bereich B2B (Transaktionen zwischen Unternehmen) angewendet werden und nicht für Leistungen an Endkunden (B2C). 

 

Dabei sind ausschließlich folgende Leistungen per Reverse Charge Verfahren regelbar:

  • Lieferungen von Erdgas bzw. Elektrizität nach Deutschland durch ein ausländisches Unternehmen
  • Lieferungen von Erdgas oder Elektrizität innerhalb Deutschlands (bei Wiederverkäufen).
  • Verkauf von Emissionszertifikaten.
  • Werklieferungen durch ausländische Unternehmen in Deutschland.
  • Gebäudereinigungsleistungen mittels Subunternehmer.
  • Leistungen eines ausländischen Unternehmens (falls die Leistungen als steuerpflichtig gelten und der Unternehmer eine USt-ID-Nummer vorweisen kann).
  • Umsätze, die unter das Grunderwerbsgesetz fallen.
  • Lieferung von edlen und unedlen Metallen mit einem Wert von mindestens 5.000 Euro.
  • Lieferungen von Gold, Altmetallen oder Schrott (allerdings erst ab einem bestimmten Feingehalt).
  • Lieferung von klar definierten Arten von Mobilfunkgeräten mit einem Wert von mindestens 5.000 Euro.
  • Lieferung von Gegenständen unter Sicherheitsübereignung außerhalb eines Insolvenzverfahrens.

Sie möchten wissen, ob das Reverse Charge Verfahren für Ihren Onlinehandel anwendbar ist? Sie sind sich nicht sicher, ob Sie sich stattdessen oder zusätzlich zum OSS-Verfahren anmelden müssen oder ob Ihre Dienstleistungen ohnehin von der Mehrwertsteuer befreit sind? Dann melden Sie sich bei uns! Wir kennen uns sehr gut aus in allen Mehrwertsteuerthemen sowie im E-Commerce und können alles rechtssicher für Sie klären und abwickeln. 

Anwendung des Reverse Charge Verfahrens für elektronische Dienstleistungen

Das Reverse Charge Verfahren kann auch für auf elektronischem (digitalem) Wege erbrachte Leistungen genutzt werden. Es muss sich dazu um Leistungen gemäß

  • 13 b UStG zwischen Unternehmen (B2B) handeln und die digitale Dienstleistung muss in Deutschland erstellt und in einem anderen Land (Bestimmungsland) genutzt bzw. “erbracht” werden. Falls die Leistung jedoch an Endkunden (B2C) erfolgt, ist das Reverse Charge Verfahren nicht relevant, sondern das OSS-Verfahren

Elektronische Dienstleistungen wären beispielsweise:

  • Hosting von Websites
  • Bereitstellung von Websites
  • Online Bereitstellung von Speicherkapazitäten (Cloud usw.)
  • Fernwartung von (elektronischen) Systemen
  • Gewährung von Zugang zum Download von Updates, Fotos, Filmen, E-Books und Software

Eine Anwendung des Reverse Charge Verfahrens bei elektronischen Dienstleistungen ist hingegen nicht möglich, wenn die elektronischen Dienste lediglich als Kommunikationsmittel dienen. Dies wäre zum Beispiel bei einem telefonischen Helpdesk, bei Fernunterricht oder bei online gebuchten Beherbergungsleistungen der Fall. 

Grundlage für die Anwendung des Reverse Charge Verfahrens bei elektronischen Dienstleistungen ist UstAE Abschn. 3a 12 Abs. 3

Mehr Informationen zur Umsatzsteuer bei elektronischen Dienstleistungen finden Sie hier. 

 

In welchen Ländern gilt das Reverse Charge Verfahren?

Das Reverse Charge Verfahren kann lediglich innerhalb der EU, nur im Bereich B2B (Business-to-Business) und nur in den oben erwähnten Fällen angewendet werden. Dann ist die Anwendung auch für im Ausland ansässige Unternehmen möglich.  

 

Wann kann das Reverse Charge Verfahren nicht angewendet werden?

Falls Lieferungen und Leistungen für Unternehmen in Ländern außerhalb der EU erbracht werden, ist das Reverse Charge Verfahren nicht anwendbar. Leistungen, die in ein Drittland außerhalb der EU verkauft werden, gelten in Deutschland ohnedies als mehrwertsteuerfrei. Zudem gilt das Reverse Charge Verfahren nur für Transaktionen zwischen Unternehmen (B2B) und nicht für Leistungen an Endkunden (B2C)

 

Gesetzliche Grundlage für das Reverse Charge Verfahren

Das Reverse-Charge-Verfahren, das zu einer Umkehr der Steuerschuld führt, ist im Umsatzsteuergesetz (UStG) geregelt in § 13 b UStG. Dort ist auch detailliert aufgeführt, in welchen Fällen eine Anwendung dieser Sonderregelung möglich ist.

Was ist der Unterschied zwischen OSS-Verfahren, innergemeinschaftlichen Lieferungen und Reverse-Charge-Verfahren?

Innergemeinschaftliche Lieferungen im Bereich B2B innerhalb der EU sind grundsätzlich umsatzsteuerfrei. Das Reverse-Charge-Verfahren kann jedoch auch von im Ausland ansässigen Unternehmen genutzt werden, solange es sich um Transaktionen im Bereich B2B und um eine der zugelassenen Leistungen handelt. Verkäufe innerhalb der EU an Endkunden im Bereich B2C (Business-to-Consumer) sind hingegen über das OSS-Verfahren abzuwickeln. 

Vorteile des Reverse Charge Verfahrens

Das Verfahren der Umkehrung der Steuerschuld (Reverse-Charge-Verfahren) dient vor allem der Vereinfachung bei der Erhebung der Mehrwertsteuer. Dadurch, dass der Empfänger der Leistungen für die Abführung der Umsatzsteuer verantwortlich ist, entfallen Steueranmeldungen des Verkäufers im Bestimmungsland. Die Finanzämter müssen somit im Endeffekt auch keine Steuerschulden im Ausland einfordern. 

 

Nachteile des Reverse Charge Verfahrens

Die Nachteile des Reverse-Charge-Verfahrens betreffen vor allem Kleinunternehmer, die von der Ausweisung und Abführung der Umsatzsteuer befreit sind. Diese können im Gegenzug auch keine Vorsteuer geltend machen. 

Mann sitzt im Anzug und arbeitet an steuerlichen Dingen die mit dem Reverse Charge Verfahren
Reverse Charge vereinfacht die Steuer für den Staat, benachteiligt aber Kleinunternehmer.

Genau die gleiche Situation entsteht für diese kleinen Unternehmen beim Reverse-Charge-Verfahren: Sie müssen Mehrwertsteuer in Deutschland bezahlen, falls sie Waren oder Dienstleistungen aus dem Ausland beziehen, können diese jedoch nicht als Vorsteuer geltend machen. 

Ein bärtiger Mann im schwarzen Anzug mit weißem Hemd und gepunkteter Krawatte lächelt vor grauem Hintergrund.

Felix Böckmann

 

Partner, Steuerberater, Tax Specialist für E-Commerce/Onlinehändler

Expertentipp

Wie relevant ist das Reverse Charge Verfahren im E-Commerce?

Als Steuerberater für E-Commerce interessieren wir uns selbstverständlich für alle Vereinfachungen, die das Steuerrecht für unsere Mandanten eröffnet. Im Fall Reverse Charge Verfahren bieten sich hier vor allem Anwendungsbereiche bezüglich Fulfillment Dienstleistungen, wie zum Beispiel Amazon FBA, an. Früher wickelte Amazon die Rechnungen für diese Leistungen über sein in Luxemburg ansässiges Unternehmen ab, ein klassischer Fall für das Reverse Charge Verfahren, seit dem 1.8.2024 geschieht dies allerdings in Deutschland mit 19 % Mehrwertsteuer. Für die Verkäufe an Endkunden (B2C), die im E-Commerce die wichtigste Rolle spielen, ist hingegen das OSS-Verfahren weitaus wichtiger, mehr über Mehrwertsteuer und OSS erfahren Sie hier. Falls im Onlinehandel Verkäufe im B2B Bereich innerhalb der EU anfallen, gelten diese ohnedies als innergemeinschaftliche Verbringung und sind damit mehrwertsteuerfrei. 

Als Experten auf dem Gebiet E-Commerce achten wir in der Steuerberatung darauf, die einzelnen Bereiche sorgfältig voneinander abzugrenzen und steuerlich korrekt abzuwickeln. Belasten Sie sich als Onlinehändler nicht mit diesem Thema, sondern suchen Sie sich einen auf E-Commerce spezialisierten Steuerberater, der dies für Sie übernimmt. Damit Sie genügend Zeit finden, sich dem Aufbau Ihres Geschäfts zu widmen.

Gerne unterstützen wir Sie!

Die Rechnung im Reverse Charge Verfahren

Wie muss eine Rechnung im Reverse-Charge-Verfahren erstellt werden? 

Beachten Sie unbedingt folgende Punkte:

  • Eine Reverse Charge Rechnung darf nur für bestimmte Leistungen ausgestellt werden.
  • Der Empfänger der Leistung muss zwingend ein Unternehmen bzw. eine juristische Person sein.
  • Reverse-Charge-Rechnungen dürfen entsprechend nicht an Endkunden ausgestellt werden.
  • Rechnungsbetrag ist zwingend der Nettobetrag.
  • Eine Reverse-Charge-Rechnung darf keine Mehrwertsteuer ausweisen.
  • Die USt-ID (Umsatzsteuer-Identifikationsnummer) des Ausstellers (Leistungserbringers) der Rechnung muss auf der Rechnung ersichtlich sein. 
  • Der Rechnungsempfänger (Kunde / Käufer) muss auf der Rechnung ausdrücklich dazu aufgefordert werden, die Steuer an das Finanzamt zu melden und abzuführen. 

Wie sollte eine Reverse-Charge-Rechnung aussehen?

Wann muss Reverse Charge auf der Rechnung stehen? Grundsätzlich können Sie die Rechnungsformulare, zum Beispiel für eine E-Rechnung, verwenden, die Sie sonst auch nutzen. Sie sollten jedoch unbedingt einen Hinweis darauf einbauen, dass es sich um eine Rechnung gemäß Reverse-Charge-Verfahren handelt und ausdrücklich auf die Steuerschuld des Empfängers hinweisen. 

Wichtig ist außerdem, dass der Rechnungsbetrag lediglich den Nettobetrag zeigt. 

 

Sie können als Hinweis auf Reverse Charge beispielsweise folgende Formulierungen nutzen:

  • Steuerschuldner ist der Rechnungsempfänger.
  • Rechnung enthält keine Umsatzsteuer, da die Steuerschuld beim Leistungsempfänger liegt (Reverse-Charge-Verfahren).
  • In der Rechnung erfolgt kein Ausweis der Umsatzsteuer, da das Reverse Charge Verfahren greift. 
  • Die Umsatzsteuer ist vom Rechnungsempfänger anzumelden und abzuführen. 
  • Steuerschuldübergang gemäß § 13b Abs. 2 Nr. 7 i.V. m. Abs. 5 UStG

Ein Beispiel sehen Sie oben, Sie können sich dieses auch hier herunterladen. 

Fazit

Das Reverse Charge Verfahren kehrt die Steuerschuld um und kann im Bereich B2B (Business-to-Business) zu einer Vereinfachung der Steuererhebung im grenzüberschreitenden Handel beitragen. Relevant für den Onlinehandel ist dieses Verfahren vor allen Dingen beim Thema Fulfillment Dienstleistungen, wie zum Beispiel bei Amazon FBA. Wesentlicher wichtiger im Onlinehandel ist jedoch das OSS-Verfahren, das die gesamte Mehrwertsteuerproblematik in der EU vereinfachen soll und im Gegensatz zum Reverse-Charge-Verfahren auch für Verkäufe an Endkunden genutzt werden kann. 

Als Steuerberater für E-Commerce kümmern wir uns gerne um die korrekte Unterscheidung zwischen Rechnungen gemäß Reverse-Charge-Verfahren und Rechnungen mit Mehrwertsteuerausweis und sorgen dafür, dass alles rechtssicher abgewickelt wird. Das Thema ist sehr komplex und gehört unbedingt in die Hände von Steuerexperten, die sich im E-Commerce sehr gut auskennen.

Melden Sie sich gerne bei uns und lassen Sie uns besprechen, wie wir Sie hier unterstützen können.

FAQ

Grundsätzlich ist die Umsatzsteuer im Bestimmungsland (= Land des Käufers) zu zahlen. Eine Ausnahme besteht lediglich dann, wenn ein Verkäufer insgesamt nicht mehr als 10.000 Euro Umsatz jährlich mit grenzüberschreitenden Verkäufen erzielt (Lieferschwelle). Dann kann die Umsatzsteuer in Deutschland abgeführt werden.

Innergemeinschaftliche Verbringungen im Bereich B2B sind innerhalb der EU in der Regel mehrwertsteuerfrei, Beteiligte aus Ländern außerhalb der EU können unter bestimmten Voraussetzungen das Reverse Charge Verfahren nutzen, solange es um B2B Transaktionen geht.

Im E-Commerce werden häufig Fulfillment Dienstleister in Anspruch genommen, wie zum Beispiel FBA (Fulfillment by Amazon). Diese Leistungen können unter gewissen Voraussetzungen gemäß Reverse Charge Verfahren in Rechnung gestellt werden, da es sich grundsätzlich um B2B Geschäfte handelt. 

Felix Böckmann

Felix Böckmann ist ein renommierter Steuerberater und Partner in der Kanzlei SKULD. Nach seiner Ausbildung zum Steuerfachangestellten in einer mittelständischen Cloppenburger Steuerkanzlei absolvierte er ein duales Studium in Rechnungswesen, Steuerrecht und Wirtschaftsrecht an der DHBW in Mannheim. Bevor er SKULD gründete, sammelte er wertvolle Erfahrungen in einer führenden E-Commerce-Steuerkanzlei. Seine Expertise wurde durch das erfolgreiche Ablegen des Steuerberaterexamens bestätigt. Darüber hinaus hat er eine Zusatzqualifikation als Tax Specialist für E-Commerce und Onlinehändler erworben. In seiner Freizeit findet er Ausgleich beim Tennisspielen und an der deutschen Nordseeküste.